Werte schaffen mit KI: „Kompetenzen und Rahmenbedingungen sind entscheidend“

Künstliche Intelligenz (KI) wird in den kommenden Jahren in vielerlei
Bereichen Unternehmensprozesse verändern und unseren Arbeitsalltag
beeinflussen. Ihr Einsatz kann sich sowohl positiv auf die Qualität von
Produkten und Dienstleistungen auswirken, als auch auf die Mitarbeitenden,
wenn automatisierte Prozesse im Arbeitsalltag neue Freiräume für
höherwertige Tätigkeiten schaffen. Damit die Wertschöpfung durch KI
ganzheitlich erfolgreich sein kann, muss neben den wirtschaftlichen
Faktoren auch die Perspektive der Nutzerinnen und Nutzer in der Umsetzung
von KI berücksichtigt werden.
Welche Chancen und Herausforderungen damit verbunden sind, erläutert Irene
Bertschek im Interview. Sie ist Leiterin des Forschungsbereiches „Digitale
Ökonomie“ am ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung
Mannheim und Professorin für „Ökonomie der Digitalisierung“ an der Justus-
Liebig-Universität Gießen sowie Mitglied der Arbeitsgruppe
„Geschäftsmodellinnovationen“ der Plattform Lernende Systeme.
Frau Bertschek, wie kann aus Ihrer Sicht eine erfolgreiche Integration von
KI in Unternehmen gelingen?
Irene Bertschek: KI ist, wie andere Technologien auch, kein Allheilmittel.
Daher ist es wichtig, dass Unternehmen einen genauen Blick darauf werfen,
bei welchen konkreten Prozessen oder Aufgaben KI bei der Lösung von
Problemen helfen kann. Damit KI zu Innovationen und Produktivität in
Unternehmen beiträgt, sind mehrere Faktoren entscheidend, insbesondere
Daten und Kompetenzen. Daten sollten systematisch aufbereitet und
verfügbar gemacht werden und die notwendige Qualität aufweisen, um bei der
Anwendung von KI zur Erzeugung zuverlässiger Ergebnisse beizutragen. Dies
kann den Einsatz von KI für effizientere Prozesse oder das Recruiting
genauso betreffen wie die Integration von KI in Produkte oder
Dienstleistungen. Die Nutzerinnen und Nutzer sollten in der Lage sein, die
Qualität der Daten und die Qualität der Ergebnisse einer KI-Anwendung zu
bewerten, um darauf aufbauend fundierte Entscheidungen treffen zu können.
Hierzu ist einerseits Fachwissen nötig, um entsprechende Prozesse
aufzusetzen und in Gang zu bringen, andererseits bedarf es aber auch
grundlegender digitaler Kompetenzen im Unternehmen. Kurzfristig ist es
daher hilfreich, sich zum Beispiel im Rahmen von Kooperationen die
notwendige Expertise von außen zu holen. Mittel- bis langfristig sollten
entsprechende Aus- und Weiterbildungsprogramme genutzt werden, um digitale
Kompetenzen intern aufzubauen und weiterzuentwickeln. Auch wenn gerade die
generative KI mehr und mehr zum integrierten Bestandteil von
Softwareanwendungen wird und automatisch Ergebnisse liefert, sollten
Beschäftigte in Unternehmen zumindest grundsätzlich die Arbeitsweise der
KI verstehen und einschätzen können, wie zuverlässig und valide die
Ergebnisse sind.
Welchen Hürden sehen sich KMU beim Einsatz von KI gegenüber? Wie lassen
sie sich überwinden?
Irene Bertschek: KMU mangelt es beim Einsatz von KI in erster Linie an
zeitlichen und personellen Ressourcen. Das ist aber nicht nur bei KI so,
sondern bei digitalen Technologien generell. Bei der KI kommt hinzu, dass
zahlreiche KMU noch keine konkrete Vorstellung davon haben, wofür sie
diese einsetzen können. Sie sind unsicher über den zu erwartenden Nutzen
von KI und haben Bedenken hinsichtlich der Reife und Zuverlässigkeit von
KI-Anwendungen. Best-Practices-Beispiele können sowohl Orientierung für
die Identifizierung von Anwendungsbereichen als auch in Bezug auf die
Erwartungen geben. Denn oft sind die Erwartungen an das, was eine KI
leisten kann, sehr hoch. Schließlich wird der Einsatz von KI durch
fehlendes Know-how im Unternehmen sowie ein geringes Fachkräfteangebot auf
dem Arbeitsmarkt gehemmt. Know-how für den Einsatz und den Umgang mit KI
lässt sich beispielsweise durch Kooperationen mit Start-ups oder mit
wissenschaftlichen Einrichtungen gewinnen. Dies kann zu konkreten
Anwendungen von KI inspirieren und die Beschäftigten in den KMU können
hinsichtlich der Weiterentwicklung ihrer Kompetenzen davon profitieren.
Gleichzeitig helfen Kooperationen den Start-ups als Anbieter von KI-
Lösungen ihre Geschäftstätigkeit zu stabilisieren und auszubauen. Was die
Reife und Zuverlässigkeit von KI-Anwendungen angeht, so hängt diese nicht
zuletzt mit den regulatorischen Rahmenbedingungen zusammen.
Was kann die Politik tun, um die Nutzung von KI zu unterstützen?
Irene Bertschek: Aufgabe der Politik ist es, bei der Umsetzung der auf EU-
Ebene verabschiedeten KI-Verordnung auf eine ausgeglichene Balance
zwischen Rechtssicherheit einerseits und der Schaffung und Ausschöpfung
von Innovations¬potenzialen andererseits zu achten. Dabei sollte die
Umsetzung der Regelungen der KI-Verordnung auf be¬stehende Regulierungen,
wie zum Beispiel der DSGVO, gut abgestimmt werden, um eine konsistente
Recht¬sprechung und die Ableitung klarer Leitlinien für den Umgang mit KI
gerade im Hinblick auf KMU zu erlauben. Die Entwicklung der KI verläuft
zum Teil sehr dynamisch, wie wir das bei ChatGPT sehen. Daher sollte auch
die Regulierung anpassungsfähig bleiben. Zum Beispiel sollte sie
ermöglichen, dass sich die Zuordnung von KI-Anwendungen zu bestimmten
Risikoklassen, wie sie laut KI-Verordnung vorgesehen ist, über die Zeit
verändern kann. Zur Anpassungsfähigkeit und Flexibilität des
Regulierungsrahmens trägt auch der Einsatz von Reallaboren bei, mit denen
sich innovative KI-Lösungen, unter zeitweiser Aussetzung rechtlicher
Regeln, testen lassen. Schließlich können Einrichtungen der öffentlichen
Verwaltung den verstärkten Einsatz von KI-Lösungen fördern, indem sie
diese direkt nachfragen oder ihre Daten für entsprechende Anwendungen
bereitstellen und damit auch zur Entwicklung neuer Lösungen beitragen.
Originalpublikation:
https://www.plattform-lernende
systeme.de/files/Downloads/Pub
- Das Whitepaper "Mit KI Werte schaffen" der Plattform Lernende Systeme