Von der Vergangenheit für aktuelle Fragestellungen lernen: Professur für Geschichte und Theorie der Architektur

Geschichte und Theorie im Architekturstudium: Das sind keine verstaubten
Fächer oder Themen, sondern wichtige Fundamente für das Entwerfen von
Räumen. Denn erst die Beschäftigung mit Bauten und Epochen ermöglicht ein
tiefgreifendes Verständnis architektonischer Prinzipien in verschiedenen
Zeiten und unterschiedlichen Kontexten. Studierende lernen von den
Entwurfsgedanken der Architekt*innen der Vergangenheit, betrachten die
Entwicklung in der Baukunst und gewinnen Hintergrundwissen und Inspiration
für ihre eigenen Entwürfe.
So ordnet auch Professorin Dr. Franziska Kramer (* 1986) die Kompetenzen
ein, die sie seit einem Semester in den Bachelor- und Master-Studiengängen
der Architektur an der Hochschule Biberach (HBC) vermittelt. Die Fakultät
Architektur und Energie-Ingenieurwesen hat sie für das Lehrgebiet
„Geschichte und Theorie der Architektur“ berufen.
Franziska Kramer hat an der Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule
Aachen (RWTH Aachen) studiert und war dort später als wissenschaftliche
Mitarbeiterin am Lehr- und Forschungsgebiet Raumgestaltung tätig. Kramer
wurde 2022 an der RWTH und der Politecnico di Bari mit einer Arbeit zur
Bodenfrage um 1900 mit Summa cum laude promoviert und war im selben Jahr
Mitinitiatorin der DFG geförderten internationalen interdisziplinären
Tagung “Value.Use.Property – On the Spatial Dimensions of Land Issues“.
Auch war sie Fellow an der University of Parma im Jahr 2022. Seither
forscht und publiziert sie zum Thema der Bodenfrage und dem Wohnungsbau
zwischen 1890 und 1930, zur Raumtheorie und Raumgeschichte, sowie zur
italienischen Architektur der Nachkriegszeit.
Den Biberacher Studierenden der Architektur möchte sie Wissen und
Verständnis an die Hand geben, auf denen sie ihre Entwurfsarbeiten stützen
können. Denn Architektur sei stets im Kontext ihrer Zeit zu betrachten.
Ihre Vorlesungen baut sie dafür chronologisch sowie thematisch auf. Dabei
ist es der Professorin wichtig, dass die Geschichte und Theorie der
Architektur nicht getrennt voneinander betrachtet werden. Gemeinsam mit
ihren Studierenden möchte sie kritisch zu Fragestellungen sprechen, die
heute von Relevanz sind und sich dabei Begriffsfragen widmen. „Begleitend
zu den Entwurfsprozessen lernen die Studierenden so das referenzielle
Denken“, so Franziska Kramer.
Auch fördere die räumliche Analyse historischer Gebäude die Fähigkeit,
komplexe Strukturen zu dekonstruieren, ihre Funktionen und Bedeutungen zu
hinterfragen und ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft zu verstehen. In
ihren Kursen zur Baugeschichte und Architekturtheorie lässt die
Professorin deshalb etwa Grundrisse neu zeichnen. Darüber, so Kramer,
können die Studierenden Proportionen und Raumstrukturen verschiedener
Bauten nachvollziehen. Der kritische Diskurs, sowie das räumliche Denken
seien unerlässlich für die Einordnung zeitgenössischer
Architekturproduktion und die Entwicklung neuer Gedanken für das
Entwerfen, so die Professorin.
Ein Beispiel: Die Einsiedelei, eine Typologie, die noch heute interessante
Perspektiven bietet. Sogenannte Eremitagen sind kleine, abgeschiedene
Gebäude, die von Einsiedlern bewohnt wurden. Diese religiösen Personen
zogen sich aus der Gesellschaft zurück, um ein Leben der Kontemplation,
des Gebets und der Askese zu führen. Dieses Leben in Abgeschiedenheit,
Einfachheit und Selbstversorgung und die dafür entwickelten Rückzugsräume
seien noch immer von Bedeutung, wenn wir daraus Fragen an die
zeitgenössische Architektur ableiten können, erläutert Kramer.
Für ihr Promotionsvorhaben lebte und arbeitete Professorin Dr. Franziska
Kramer einige Jahre in Italien. An der Hochschule Biberach hat sie
zusätzlich die Funktion der Internationalisierungsbeauftra
Das Erlernen von Sprache, das Studieren oder Arbeiten mit internationalen
Kolleg*innen hält sie für wichtig und spannend. Denn nur so könne man
verstehen, wie etwa Begriffe das Denken in einer anderen Sprache prägen.
„Zum Entwerfen haben italienische Architekt*innen oft einen für mich
spannenden Zugang, denn die meisten Baumaßnahmen werden im Bestand
ausgeführt“. erklärt sie. Somit sei die Idee, dass Entwerfen das
Fortschreiben vorhandener Räume ist, oftmals die Grundlage mit der
Architektur und die Transformation von Bestand verstanden wird, so
Professorin Dr. Franziska Kramer.