Kein Geld, keine Kooperationen, volle Transparenz: Lungenärzte veröffentlichen neuen Kodex zum Umgang mit Tabakindustrie

Es gibt neue Handlungsempfehlungen für wissenschaftliche
Fachgesellschaften zum Umgang mit der Tabak- und Nikotinindustrie. Ein
jetzt veröffentlichtes Positionspapier von 16 Medizingesellschaften und
Gesundheitsinstitutionen skizziert unter Federführung der Deutschen
Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP), wie dem starken
Einfluss der Tabaklobby begegnet werden kann, um die Unabhängigkeit zu
wahren. Schon vor mehr als 70 Jahren hat die Tabakindustrie damit
begonnen, Einfluss auf die Politik, das Gesundheitswesen und die
Gesellschaft zu nehmen.
In einem Rahmenabkommen fordert die Weltgesundheitsorganisation WHO die
Vertragsstaaten deswegen dazu auf, diesen Einfluss weiter zu minimieren.
„Dieser Aufforderung sind wir gefolgt und haben jetzt mit anderen
medizinischen Fachgesellschaften regulatorische Empfehlungen zum Umgang
mit der Tabakindustrie formuliert“, erklärt Koordinator Professor Stefan
Andreas, Sprecher der DGP-Sektion Tabakprävention und Gesundheitsfürsorge
sowie Chefarzt der Lungenfachklinik Immenhausen.
Die DGP engagiert sich seit Jahrzehnten in der Tabakkontrollpolitik. So
beobachten die Lungenfachärzte in Deutschland und anderen Ländern den
stark zunehmenden E-Zigarettenkonsum bei Jugendlichen und jüngeren
Erwachsenen mit großer Sorge. „Die neuen Nikotinprodukte fordern das
Gesundheitssystem in vielfältiger Weise heraus“, ist Stefan Andreas
überzeugt.
Aktuell finanziere die Tabak- und Nikotinindustrie beispielsweise Studien
zu E-Zigaretten und beschönige gezielt die schädlichen Auswirkungen von
regelmäßigem Tabakkonsum, obwohl wissenschaftlich erwiesen sei, dass dies
süchtig sowie krank mache und auch soziale Missstände wie Armut
begünstigen könne.
Gemeinsam habe man sich daher auf die folgenden Grundprinzipien
verständigt: Die beteiligten Fachgesellschaften
• lehnen Geld- oder Sachzuwendungen der Tabakindustrie
(einschließlich Hersteller und Vertreiber von E-Zigaretten, Tabakerhitzer
und Nikotin-Pouches) ab,
• kooperieren nicht mit Personen und Organisationen, die von der
Tabakindustrie gefördert werden oder deren Interessen fördern,
• verlangen die Offenlegung von Beziehungen zu Tabakunternehmen.
Den aktuellen Strategien der Tabakindustrie effektiv begegnen
Dabei stellen sich die Medizingesellschaften und Gesundheitsinstitutionen
bewusst gegen die Einflussnahme vor dem Hintergrund aktueller Strategien:
Dazu zählt zum Beispiel, dass Tabakunternehmen die Grenze zu kommerziellen
Tabak- oder Nikotinerzeugnissen verwischen – eine sogenannte
„Pharmazeutisierung“. Eine weitere Strategie ist etwa, vermeintlich
weniger schädliche neue Produkte auf den Markt zu bringen und Studien zu
deren Auswirkungen zu fördern. Eine Metastudie zeigt, dass durch die
Tabakindustrie geförderte Studien über E-Zigaretten wesentlich seltener
potenziell schädliche Effekte und Substanzen vorweisen als solche Studien,
die nicht gefördert wurden. „Mit unserem gemeinsam erarbeiteten Kodex
möchten wir diesen Strategien effektiv begegnen. Er leistet einen
wichtigen Beitrag dazu, die Wissenschaft vor Einflussnahme durch die
Tabakindustrie besser zu schützen“, betont deshalb auch DGP-Präsident
Prof. Wolfram Windisch. „Die Einflussnahme der Tabakindustrie darf uns als
Medizinern nicht egal sein!“
Hier geht es zum Positionspapier „Kodex zum Umgang mit der Tabak- und
Nikotinindustrie – Handlungsimpuls für wissenschaftliche
Fachgesellschaften“: https://www.thieme-
connect.com/products/ejournals