Eine Wohnung für alle!? ILS-Wissenschaftler*innen bewerten Housing First als Konzept gegen Wohnungslosigkeit
Immer mehr Menschen haben keinen festen Wohnsitz. Die Bundesregierung hat
sich das ambitionierte Ziel gesetzt, die Wohnungslosigkeit bis 2030 zu
überwinden. Der Plan greift unter anderem das Konzept Housing First – das
bedingungslose Angebot einer eigenen Wohnung an Wohnungslose – als
wichtigen Eckpfeiler auf. Die ILS-Wissenschaftler*innen Lea Fischer und
Dr. Michael Kolocek stellen in ILS-IMPULSE „Wohnungslosigkeit überwinden
durch Housing First?“ das Konzept vor und werfen einen Blick auf die
aktuelle Lage in Nordrhein-Westfalen.
Eine Wohnung für alle!? „Der Grundgedanke von Housing First steht im
starken Kontrast zu anderen Ansätzen, die die Bereitstellung einer
regulären Wohnung an Voraussetzungen knüpfen wie die Annahme von
Hilfsangeboten oder der Abstinenz von Rauschmitteln“, erläutert ILS-
Wissenschaftlerin Lea Fischer das Konzept. Damit sollen Stigmatisierungen
vermieden und den betroffenen Menschen eine möglichst hohe
Selbstbestimmung ermöglicht werden.
Laut Statistiken waren in NRW 2023 knapp 110.000 Menschen wohnungslos. Das
bedingungslose Bereitstellen von Wohnraum ist auch hier oben auf der
politischen Agenda. „Es gibt einige engagierte Projekte, die
flächendeckendere Umsetzung scheitert aber oft am mangelnden Angebot auf
dem Wohnungsmarkt“, berichtet ILS-Wissenschaftler Dr. Michael Kolocek.
„Wir nehmen in der Praxis einen gewissen Frust wahr, dass die wenigen
Modellprojekte eher den berühmten Tropfen auf dem heißen Stein darstellen;
teilweise werden die Projekte aufgrund der niedrigen Reichweite von
Interessenvertreter*innen als Symbolpolitik kritisiert, die viel zu wenige
Betroffene erreicht.“
Die Forscher*innen sehen Housing First grundsätzlich als einen wirksamen
Ansatz gegen Wohnungslosigkeit, nehmen aber auch die Innenstädte in den
Blick. „So lange Housing First oder ähnliche Ansätze nicht flächendeckend
etabliert sind, sind wohnungs- und obdachlose Menschen auf andere, sowohl
private als auch öffentliche Orte und Räume angewiesen, um ihre
Grundbedürfnisse zu befriedigen“, so die Wissenschaftler*innen.
Im Projekt „Marginalisierte Bevölkerungsgruppen und die solidarische
Innenstadt (MaBIs)“ im Auftrag der VolkswagenStiftung streben sie eine
Transformation der Innenstädte an, die die täglichen Bedarfe und Praktiken
marginalisierter Bevölkerungsgruppen mitdenkt. Weitere Informationen zum
Vorhaben in Kooperation mit den Straßenmagazinen bodo (Bochum und
Dortmund) und BISS (München) finden Sie hier: https://t1p.de/MaBIs
Das ILS – Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung ist ein
außeruniversitäres Forschungsinstitut, das die aktuelle und künftige
Entwicklung von Städten interdisziplinär und international vergleichend
untersucht. Weitere Informationen auf https://www.ils-forschung.de.