Zeugnis geistlicher Naturkunde und Archiv historischer Biodiversität. Neues Forschungsprojekt an der HAB


Das Herbarium Ruperti ist eine einzigartige, um 1700 angelegte Sammlung
mit etwa 1.300 getrockneten Pflanzen aus Niedersachsen. Das Projekt
erforscht die botanische Praxis und das naturwissenschaftliche Denken der
frühen Neuzeit. Gleichzeitig sollen Erkenntnisse über die historische
Biodiversität gewonnen werden. Dafür wird das dreibändige Werk
restauriert, digitalisiert, kulturhistorisch analysiert und die darin
enthaltenen Pflanzen bestimmt.
Mit sorgfältig gepressten Pflanzenproben aus Norddeutschland auf über 540
Seiten bildet das Herbarium mit der Signatur HAB Cod. Guelf.153 Noviss.
4°ein vielfältiges Spektrum an kultivierten und wildwachsenden Gräsern,
Farnen und Blühpflanzen ab. Zwischen 1698 und 1704 wurde es von dem
Theologen Georg Andreas Ruperti (1670–1731) angelegt, der als Hofprediger
in London und in pietistischen sowie wissenschaftlichen Netzwerken tätig
war. 2019 kam die Sammlung aus britischem Privatbesitz in die Herzog
August Bibliothek (HAB).
Als frühe Bestandsaufnahme der Flora Norddeutschlands gewährt das
Herbarium seltene Einblicke in die historische Pflanzenwelt und
Artenvielfalt der Region und kann so auch Erkenntnisse zum Klimawandel in
den vergangenen 300 Jahren liefern. Gleichzeitig steht es für die
Verbindung von Naturkunde und Theologie im frühen 18. Jahrhundert und
dokumentiert Rupertis Engagement in botanischen und pietistischen
Netzwerken, die sich über Landesgrenzen hinweg erstreckten. Die
konservatorische Sicherung und Digitalisierung dieses Werks sowie eine
umfassende botanische Erschließung und Provenienzforschung sollen seine
Bedeutung als Wissensspeicher für die historische Biodiversität und
Gelehrtenkultur zugänglich machen.
Das dreijährige Projekt startete am 15. Oktober 2024 mit einem Kickoff-
Meeting, an dem alle Projektpartner*innen teilnahmen. Die Kooperation
vereint die HAB, das Institut für Pflanzenbiologie der Technischen
Universität Braunschweig sowie das Zentrum Klimaforschung Niedersachsen.
Finanziert wird das Vorhaben durch das Niedersächsische Ministerium für
Wissenschaft und Kultur über die Förderlinien „Kulturelles Erbe“ und
„Restaurierungs- und Konservierungsaufgaben in Landes- und
Hochschulbibliotheken“ sowie durch die Stiftung Braunschweigischer
Kulturbesitz.