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Nachhaltig und vielseitig: Fraunhofer IBP treibt die Entwicklung klimafreundlicher Baustoffe voran

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Beton mit und ohne Pyrokohle: Ein Teil Pyrokohle reduziert drei Teile CO2 des Gesamtprodukts.  © Fraunhofer IBP
Beton mit und ohne Pyrokohle: Ein Teil Pyrokohle reduziert drei Teile CO2 des Gesamtprodukts. © Fraunhofer IBP

Über zwei Drittel weniger CO2-Emissionen bei gleichbleibend hoher
Qualität: Fachleute des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik IBP drehen an
zahlreichen Stellschrauben, um den vertrauten Baustoff in Zukunft
möglichst klimaneutral herstellen zu können. Ihre Lösungen zeigen sie auf
der Messe BAU vom 13.-17. Januar 2025 in München.

Wie sähe der perfekte Beton aus? Dieser Frage stellen sich die
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am Fraunhofer IBP: Vielseitig
einsetzbar und nachhaltig sollte er sein, am besten aus lokalen Ressourcen
herzustellen, recycelbar und resistent, darüber hinaus CO2-arm produziert.
Dieses Ziel vor Augen arbeiten die Fachleute an vielseitigen Lösungen, die
das Potenzial haben, die Bauindustrie entscheidend zu verändern.

Auf der Suche nach dem perfekten Beton

Ein zentraler Hebel der Expertinnen und Experten: Sie ersetzen
verschiedene Bestandteile des Betons durch Pyrokohle. Zu deren Produktion
erhitzen sie Pflanzenreste oder andere organische Stoffe wie Methan in
sauerstoffarmer Atmosphäre. Bis zu 40 % des in den Pflanzen enthaltenen
Kohlenstoffes wird dabei als Feststoff in Form von Pyrokohle gespeichert.
Durch ihre Integration wird rechnerisch mehr Kohlendioxid im Beton
gebunden, als bei der Herstellung ausgestoßen wird.

Die Forschenden modifizieren die Pyrokohle nicht nur so, sodass sie
bedarfsgenau eingearbeitet werden kann. Darüber hinaus entwickelten sie
ein Verfahren, um den Zusatzstoff zu granulieren. Mit den hergestellten
Gesteinskörnungen kleiner zwei Millimeter ersetzen sie den Sand im Beton.
Damit wird dieser nicht nur klimafreundlicher, sondern auch bedeutend
leichter, was zusätzlich Transportkosten einspart.
»Wenn wir einen Teil Pyrokohle einsetzen, können  ca. drei Teile CO2 des
Gesamtprodukts reduzieren. Damit sind wir sehr nah am klimaneutralen Beton
und stehen der herkömmlichen Variante qualitativ in nichts nach«,
erläutert Dr. Volker Thome, Abteilungsleiter Mineralische Werkstoffe und
Baustoffrecycling am Fraunhofer IBP. Um die CO2-Bilanz des Betons weiter
zu verbessern und natürliche Ressourcen zu schonen, verwenden die
Fachleute zudem sogenannten biogenen Kalk, für dessen Herstellung eben-
falls Kohlendioxid der Atmosphäre entzogen und im Kalk als Feststoff
gebunden wird.

Den richtigen Ton treffen

Ein weiterer Ansatzpunkt der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, um
die CO2-Emissionen zu verringern, ist ein reduzierter Klinkergehalt im
Zement. Angesichts der rückläufigen Verfügbarkeit etablierter
Zementersatz- und Betonzusatzstoffe wie Hüttensande und Flugaschen
eruierten die Fachleute am Fraunhofer IBP Tone als alternative geeignete
Materialien, die in entsprechenden Mengen lokal verfügbar bleiben. In
Deutschland gibt es davon verschiedene Arten, die thermisch oder
mechanochemisch aktiviert dem Zement als Zumahlstoff zugegeben werden
können.

Im Projekt „LOCALAY“ untersucht eine Forschergruppe des Fraunhofer IBP auf
Basis verschiedener Tone Rezepturen für CO2-arme, zementklinkerreduzierte
und zementfreie Bindemittel, um sie in Massenbaustoffen einzusetzen. Die
Fachleute identifizieren und analysieren hierfür Ton-Lagerstätten. Darüber
hinaus entwickelten sie einen Reaktivitätstest, mit dem sie schnell
klären, wie spezifische Tone je nach Verwendungszweck zu aktivieren sind
und prüfen ihre Verarbeitbarkeit und Dauerhaftigkeit.

Tatsächlich befinden sich Tone in Deutschland vorwiegend im Bodenaushub.
Dieser wiederum bildet mit 125 Millionen Tonnen pro Jahr den größten
Mineralstrom des Lan-des. Um dieses Potenzial zu heben, bauen die
Fraunhofer-Spezialisten ihre Kompeten-zen der Bodenanalytik entsprechend
weiter aus – von der Verarbeitung von Bodenaus-hub zur Abtrennung der
Tonfraktion bis hin zur Nutzbarmachung feinster Tone in Filter-kuchen, die
etwa bei der Gemüsewäsche entstehen.

Ein antikes Original in die Moderne übertragen

Auf der Suche nach dem Beton der Zukunft lohnt sich ein Blick in die
Vergangenheit. In der Tat erfüllen in der Antike verbaute römische Betone
alle Kriterien moderner nachhaltiger Baustoffe. Sie sind zementfrei,
bestehen aus lokal verfügbaren Ressourcen wie Vulkanaschen und sind nicht
nur dauerhaft, sondern auch gegenüber vielen äußeren Einwirkungen
resilient. Bedauerlicherweise ging die ihnen zugrundeliegende Rezeptur
verloren. Im Projekt RICIMER (Roman Inspired Cement Innovation by Multi-
Analytical Enhanced Research) erforschen Fachleute des Fraunhofer IBP
gemeinsam mit ihren Kolleginnen und Kollegen am Max-Planck-Institut für
Festkörperforschung in Stuttgart diese Rezeptur. Ihr Ziel ist es, die
Originalformulierungen samt Additiven zu detektieren und auf moderne
Baustoffe zu übertragen.

Volker Thome ist überzeugt: »Wir stehen kurz davor, das Rätsel der antiken
zementfreien Formulierungen final zu lösen. Nun gilt es, auf Basis unserer
Ergebnisse neue Rezepturen zu erstellen, nach römisch-nachhaltigem
Vorbild, aber mit Müllverbrennungs- und Industrieaschen anstelle der in
der Antike verwendeten Vulkanaschen.«

Geopolymere – archaisches Wissen für die Zukunft erschließen

Selbst Zusatzstoffe, die Bauwerke beständiger machen, sind kein Phänomen
der Neuzeit. Weltwunder wie die ägyptischen Pyramiden sollen mit ihrer
Hilfe geschaffen worden sein: Hieroglyphen und Steininschriften zeugen von
flüssigen, künstlichen Sandsteinen, die weder durch Wasser noch Feuer
zerstört werden können.

Fakt ist, die sogenannten Geopolymere oder alkalisch aktivierten Binder
sind je nach Zusammensetzung korrosionsresistent, hochfest und unbrennbar.
Daher eignen sie sich für den Einsatz in chemisch stark beanspruchten
Bereichen, etwa zur Beschichtung von Abwasserkanälen. In Australien werden
sie aufgrund ihrer Festigkeit bereits in Landebahnen und Gebäuden verbaut.

Während man für die Herstellung herkömmlicher Baustoffe auf primäre
Rohstofflager angewiesen ist, nutzen die Fraunhofer IBP-Expertinnen und
Experten für die Produktion dieser Bindemittel kommunale Restmassen oder
industrielle Nebenprodukte wie Flugaschen und Schlacken. »Wir haben
mittlerweile große Erfahrung gesammelt und können bedarfsgerechte
Geopolymere produzieren«, erläutert Thome.

Auf der BAU, Weltleitmesse für Architektur, Materialien und Systeme in
München, stellen die Fachleute ihre Lösungen vom 13. bis 17. Januar vor.
Die Expertinnen und Experten präsentieren unter anderem Beispiele für
klimaneutralen Pyrokohlenbeton, römischen Beton und eine Auswahl an
Geopolymeren.

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