Ultraschall als Schlüssel zur Vermeidung von Dialysepflicht und Nierenkrankheit
Eine neue S3-Leitlinie zur Abklärung der Mikrohämaturie bei Kindern und
Jugendlichen dient der Früherkennung von Nierenkrankheiten. Bei kleinsten
Blutbeimengungen im Urin soll bereits bei der Vorsorgeuntersuchung U8 im
Alter von vier Jahren möglichst noch in der Kinderarztpraxis eine
Ultraschalluntersuchung erfolgen. Die Deutsche Gesellschaft für
Ultraschall in der Medizin e.V. (DEGUM) betont, dass dadurch jährlich bei
bis 1000 Kindern die Entwicklung einer chronischen Nierenkrankheit
verhindert oder verzögert werden könne. Für die Leitlinie waren
federführend die Deutsche Gesellschaft für Nephrologie e.V. (DGfN) und die
Gesellschaft für Pädiatrische Nephrologie e.V. (GPN) verantwortlich.
Link zur Leitlinie: https://register.awmf.org/de/l
Wenn sich im Urin eines Kindes ständig winzige Mengen Blut befinden, die
mit bloßem Auge nicht erkennbar sind, spricht man von einer
persistierenden asymptomatischen Mikrohämaturie. Beschwerden haben die
Kinder keine, die Ursachen für das Blut im Urin können vielfältig und
sowohl harmlos als auch schwerwiegend sein. Hierzu zählen häufig
Harnwegsinfektionen, Nierensteine, Fehlbildungen der Harnwegsorgane und
sogenannte glomeruläre Nierenerkrankungen wie das Alport-Syndrom.
„Unbehandelt werden Kinder mit Alport-Syndrom im Durchschnitt mit 22
Jahren dialysepflichtig und haben eine mittlere Lebenserwartung von nur 55
Jahren“, erklärt Professor Dr. med. Markus Meier, Nephrologe am
Nierenzentrum Reinbek und DEGUM-Beauftragter für die S3-Leitlinie.
Jährlich trifft diese Diagnose in Deutschland 800 bis 1000 Kinder.
Zur Kindervorsorgeuntersuchung U8 im Alter von vier Jahren gehört seit
jeher ein Urintest. Eine Ultraschalluntersuchung war bisher nur im
Ausnahmefall vorgesehen. Gemeinsam mit Vertretern der DGfN und der GPN hat
Meier einen diagnostischen Algorithmus entwickelt, der mit geringem
Aufwand bereits bei der U8 behandlungsbedürftige Patientinnen und
Patienten identifiziert. Dieser diagnostische Workflow beginnt mit einer
Mikroskopie des Urins und leitet den Untersucher dann über eine exakte
Familienanamnese zu weiteren diagnostischen Maßnahmen, darunter einer
Nierenbiopsie. Schon bei geringstem Verdacht auf eine glomeruläre
Nierenerkrankung sollte eine Sonografie erfolgen. In Abhängigkeit der
Befunde innerhalb des Behandlungspfades erfolgt dann am Ende
gegebenenfalls eine medikamentöse Therapieempfehlung. „Wir wissen aus
zahlreichen Publikationen, dass eine möglichst frühe Erkennung einer
Nierenschädigung die beste Langzeitprognose für Betroffene hat“, sagt
Meier. Der Vorteil der Sonografie sei zudem, dass sie nicht invasiv und in
Deutschland flächendeckend sowohl bei Kinderärzten als auch bei
Nephrologen verfügbar ist.
Fortbildung in Ultraschalldiagnostik für Kinderärzte und Nephrologen
„Entscheidend ist jedoch, dass der Ultraschall in hoher Qualität
durchgeführt wird, um Fehldiagnosen auszuschließen und oftmals unnötige,
zusätzliche Bildgebung wie MRT oder CT zu vermeiden“, erklärt Meier. Die
DEGUM hat sich zum Ziel gesetzt, die qualifizierte Ultraschalldiagnostik
bei den entsprechenden Fachärztinnen und -ärzten für Kinderheilkunde und
Nephrologie zu fördern. „Die Fortbildungs- und Zertifizierungsprogramme
der verschiedenen DEGUM-Sektionen bieten die Möglichkeit, sich
entsprechend fortzubilden, damit die Vorgaben der neuen S3-Leitlinie
bundesweit umgesetzt werden können“, betont Meier. Aus Sicht der
Expertenkommission ist dafür ein Ausbildungsniveau erforderlich, das
mindestens der DEGUM-Stufe I entspricht. „Derzeit ist die Zahl der DEGUM-
zertifizierten niedergelassenen Nephrologinnen und Nephrologen in
Deutschland noch gering“, sagt Meier. Daraus lasse sich aber keineswegs
ableiten, dass die Qualität der von nicht DEGUM-zertifizierten Kolleginnen
und Kollegen durchgeführten Ultraschalluntersuchungen unzureichend ist.
Dennoch sei ein einheitlicher, überprüfbarer Ausbildungsstandard
wünschenswert, den DEGUM und DGfN gemeinsam anstreben. „So könnte auch in
Zukunft bundesweit ein hohes Ausbildungsniveau des ärztlichen Nachwuchses
sichergestellt und die Leitlinie langfristig umgesetzt werden.“
Die Früherkennung progredienter Nierenerkrankungen bei Kindern
entsprechend der S3-Leitlinie wäre auch aus ökonomischer Sicht für das
deutsche Gesundheitssystem von Vorteil. Die Kosten für eine
differentialdiagnostische Abklärung aller Kinder mit Mikrohämaturie sind
um ein Vielfaches geringer als die hohen Dialysekosten, die durch eine
frühzeitige Therapie vermieden werden können.