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Bürgerforschende entdecken Mikroplastik entlang der gesamten deutschen Küste

Plastikmüll, angeschwemmt am Sylter Weststrand nach einer stürmischen Nacht.  Sina Löschke  Alfred-Wegener-Institut
Plastikmüll, angeschwemmt am Sylter Weststrand nach einer stürmischen Nacht. Sina Löschke Alfred-Wegener-Institut
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Plastikmüll, angeschwemmt am Sylter Weststrand nach einer stürmischen Nacht.  Sina Löschke  Alfred-Wegener-Institut
Plastikmüll, angeschwemmt am Sylter Weststrand nach einer stürmischen Nacht. Sina Löschke Alfred-Wegener-Institut

Die weltweite Plastikproduktion hat so stark zugenommen, dass Plastik in
der Umwelt allgegenwärtig geworden ist. Auch an der deutschen Nord- und
Ostseeküste findet sich Plastik in unterschiedlichen Größen. Gemeinsam mit
Bürgerinnen und Bürgern haben Forschende des AWIs mit dem Citizen Science-
Projektes „Mikroplastikdetektive“ an Stränden entlang der gesamten
deutschen Küste Proben gesammelt und auf Mikroplastik untersucht. Das
Ergebnis ist ein Datensatz, der erstmals groß genug ist, um verlässliche
Aussagen über die Belastung der gesamten deutschen Küste zu treffen. Das
Forschungsteam stellt seine Ergebnisse in der Fachzeitschrift Frontiers in
Environmental Science vor.

Weltweit könnte sich die Plastikproduktion bis 2060 fast verdreifachen,
wie die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
(OECD) schätzt.  Das führt auch zu einer Anreicherung von Plastik in
Gewässern, wo es in Mikroplastik zerfällt, also in Teilchen, die kleiner
oder gleich fünf Millimeter sind. „Diese unumkehrbare Plastikverschmutzung
beeinträchtigt Arten, Populationen und Ökosysteme, auch an deutschen
Küsten“, sagt Dr. Bruno Walther ehemals vom Alfred-Wegener-Institut,
Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI), nun an der
Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und Erstautor der nun erschienenen
Studie. Wie stark unsere Strände an der Nord- und Ostsee verschmutzt sind,
ist bisher nur für einzelne Gegenden oder Orte untersucht worden, nicht
aber für die gesamte deutsche Küste. „Deshalb haben wir das
Bürgerforschungsprojekt ‚Mikroplastikdetektive‘ ins Leben gerufen, um
Daten über die großräumige Verteilung der Mikroplastikverschmutzung an
deutschen Küsten zu bekommen, die vergleichbar sind.“

Insgesamt konnte das Forschungsteam mit Hilfe der Bürgerforschenden 2,2
Tonnen Sand an 71 Orten entlang der deutschen Küste sammeln und damit eine
Fläche von insgesamt 68,36 Quadratmetern beproben. „Wir haben 1139
vergleichbare Proben zu einem großen Datensatz zusammengefügt. Das ist
eine höhere geografische Abdeckung als je zuvor“, so Ko-Autorin und AWI-
Biologin Dr. Melanie Bergmann. Die Proben wurden dann am AWI getrocknet,
gesiebt und unter dem Mikroskop nach Plastikpartikeln ab einem Millimeter
Größe durchsucht. „Wir haben uns in dieser Studie bewusst auf großes
Mikroplastik konzentriert, um eine Verunreinigung mit kleinen
Mikroplastikteilchen über die Luft auszuschließen und die Probennahme für
die Bürgerforschenden zu vereinfachen.“

Die Ergebnisse überraschten: „Obwohl wir an 52 von 71 Stränden Plastik
gefunden haben, war die Belastung durch großes Mikroplastik an der Nord-
und Ostsee mengenmäßig geringer im Vergleich zu anderen Studien“, erklärt
Bruno Walther. „Hätten wir kleinere Mikroplastikteilchen mit untersucht,
wären wir sicherlich auf deutlich höhere Konzentrationen gekommen“ ,
ergänzt Melanie Bergmann. In früheren Untersuchungen des AWI in der
Nordsee und Arktis machte Mikroplastik, das kleiner als einen Millimeter
ist, über 90 Prozent des gefundenen Mikroplastiks in Sedimenten aus.
„Außerdem wählten wir die Beprobungsorte am Strand zufällig aus, anstatt
uns auf Anreicherungszonen wie den Spülsaum zu konzentrieren.“ Auch dies
könnte Unterschiede erklären.

Von den 1139 untersuchten Proben enthielten 177 insgesamt 260
Plastikpartikel. Das entspricht im Durchschnitt etwa vier Plastikteilchen
pro Quadratmeter. Bei einem zehn Hektar großen Strand wären das schon
400.000 Plastikteilchen. Die Analyse zeigt aber auch, dass die Belastung
mit Mikroplastik je nach Standort stark variiert.

Wie gut greifen politische Maßnahmen, wo muss nachjustiert werden?

„Unsere Studie liefert erstmals vergleichbare Daten zur großräumigen
Verteilung der Plastikbelastung entlang der gesamten deutschen Küste mit
einheitlichen Methoden“, betont Melanie Bergmann. Diese sind unter anderem
notwendig, um den Status quo zu kennen und den Erfolg politischer
Maßnahmen zur Begrenzung der Plastikverschmutzung beurteilen zu können. So
deuten Monitoring Ergebnisse beispielsweise darauf hin, dass
Gesetzesänderungen dazu geführt haben könnten, dass in den letzten 25
Jahren weniger Plastiktüten auf dem Meeresboden in Nordwesteuropa gefunden
wurden. „Wir brauchen strengere Vorgaben, die auf wissenschaftlichen
Erkenntnissen beruhen und verbindlich regeln, wie wir Plastik vermeiden,
verringern und verwerten.“ Konkret ginge es um Maßnahmen, welche die
Herstellung und Verwendung von Plastik auf unverzichtbare Anwendungen
beschränken, gefährliche Inhaltsstoffe verbieten, die Abbaubarkeit in der
Natur erhöhen und so einen echten Kreislauf ermöglichen.

„Mikroplastikdetektive“ zeigt auch, dass sich Monitoringprogramme
bewähren, die Bürgerinnen und Bürger für eine breite und zeitnahe
Datenerhebung einbeziehen. Denn das Interesse, die Wissenschaft gegen die
Plastikverschmutzung zu unterstützen, ist riesig: „Wir waren überrascht,
wie viele Bürgerforschende mit vollem Enthusiasmus mehrere Stunden am
Strand verbrachten, um die Proben gewissenhaft zu sammeln, sie zu
verpacken und zu versenden. Dafür bedanken wir uns ganz herzlich“, so
Bruno Walther. „Das ideale Ergebnis unseres Projekts wäre, dass es als
Blaupause für ein langfristiges und räumlich noch dichteres Monitoring zur
Mikroplastikbelastung an deutschen Sandstränden dient“, ergänzt Melanie
Bergmann. „Nur so können wir die Maßnahmen überprüfen und anpassen, die
wir dringend brauchen, um die Plastikflut und ihre negativen Folgen für
unsere Küstenumwelt, den Tourismus und die menschliche Gesundheit
anzugehen.“ Das Projekt „Mikroplastikdetektive“ ist inzwischen
ausgelaufen. Bürgerforschende können sich jedoch weiter an Aktionen
beteiligen: So können beispielsweise Schülerinnen und Schüler beim Citizen
Science Projekt „Plastikpiraten“ dabei helfen, Daten über die
Plastikverschmutzung an Küsten und Flüssen zu erheben.

Weitere Informationen:

Citizen Science-Projekt Mikroplastikdetektive
Projekt Plastikpiraten

Bis Ende des Jahres verhandeln die UN-Staaten über ein globales
Plastikabkommen, um die Verschmutzung der Meere durch Plastik zu
bekämpfen. Melanie Bergmann begleitet die Verhandlungen als Teil der
deutschen Delegation und Mitglied der Scientists‘ Coalition for an
Effective Plastics Treaty. Die fünfte und voraussichtlich letzte
Verhandlungsrunde (INC-5) wird vom 25. November bis 1. Dezember 2024 im
südkoreanischen Busan abgehalten.

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