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Dr. Marina Lienert und Prof. Florian Bruns vom Institut für Geschichte der Medizin an der Medizinischen Fakultät der TU Dresden haben die Ausstellung für die Hochschulmedizin Dresden konzipiert.  UKD/Michael Kretzschmar
Dr. Marina Lienert und Prof. Florian Bruns vom Institut für Geschichte der Medizin an der Medizinischen Fakultät der TU Dresden haben die Ausstellung für die Hochschulmedizin Dresden konzipiert. UKD/Michael Kretzschmar

Auf dem Hochschulcampus ist die größte Buchreihe zum Thema
Nationalsozialismus zu sehen. // Das Institut für Geschichte der Medizin
rückt die medizinhistorischen Titel der rund 220 Bücher in den Fokus. //
Rund um das Thema sind bis 2025 Veranstaltungen,
Führungen und Vorträge geplant.

Die Schwarze Reihe hat – wie keine andere Buchreihe – dazu beigetragen,
dass wissenschaftliche Erkenntnisse und Analysen zur Geschichte der NS-
Diktatur eine weite Verbreitung in der deutschen Öffentlichkeit gefunden
haben. Die Hochschulmedizin Dresden widmet dieser bedeutenden Reihe nun
eine Sonderausstellung, die Wissenswertes über die Veröffentlichungen und
ihre Hintergründe vermittelt. Der Fokus der Ausstellung liegt dabei auf
den medizinischen Themen. Der 2021 verstorbene Historiker Walter Pehle
begründetet die „Schwarze Reihe“ 1977 im Frankfurter S. Fischer Verlag und
lektorierte sie bis 2011. Einige der schwarzen Taschenbücher erreichten
Auflagen von 100.000 Exemplaren und mehr. In der Reihe sind bis heute über
220 Bände erschienen, viele sind nur noch in Bibliotheken oder
antiquarisch erhältlich. In der Sonderausstellung wird die komplette
Buchreihe nebst Hintergrundinformationen ab dem 29. April 2024 im
Medizinisch-Theoretischen Zentrum (MTZ) des Universitätsklinikum Carl
Gustav Carus Dresden gezeigt.

Wie war das möglich? Diese Frage stand von Anfang an im Zentrum der
weltweit größten Buchreihe zum Thema Nationalsozialismus, die der
Historiker Walter Pehle 1977 im Frankfurter S. Fischer Verlag begründete
und bis 2011 lektorierte. Aufgrund ihrer überwiegend in nüchternem Schwarz
gehaltenen Umschlaggestaltung war schnell von der „Schwarzen Reihe“ die
Rede. Abgesehen vom äußeren Erscheinungsbild erregten die Titel vor allem
inhaltlich große Aufmerksamkeit. Die Bücher zu Judenverfolgung und
Holocaust, zu den Verbrechen von Wehrmacht und SS, zur vermeintlichen
„Volksgemeinschaft“ oder zur „Medizin ohne Menschlichkeit“ und
„Euthanasie“ richten sich an eine breite Öffentlichkeit und stehen in
vielen deutschen Wohn- und Studierzimmern. „Opa war kein Nazi!“ – auch
diese in den Jahrzehnten nach 1945 häufig zu hörende Behauptung sprach und
spricht als kritischer Buchtitel eine große Leserschaft an.

„Auch und gerade angehenden Ärztinnen und Ärzten bietet die Schwarze Reihe
die Möglichkeit, sich kritisch mit der Medizingeschichte des 20.
Jahrhunderts auseinanderzusetzen“, sagt Prof. Florian Bruns vom Institut
für Geschichte der Medizin an der Medizinischen Fakultät der TU Dresden.
Deshalb präsentiert er die imposante Serie von über 220 Bänden bewusst im
zentralen Lehrgebäude des Universitätsklinikums, das auch öffentlich
zugänglich ist. Ausgewählte Titel können vor Ort ausgeliehen werden. „Die
Bücher von Ernst Klee oder Götz Aly zum Krankenmord im Nationalsozialismus
sind nicht nur solide recherchiert, sondern auch gut lesbar“, so der
Initiator der Ausstellung im MTZ zwischen Blasewitzer und Fiedlerstraße.
Damit richten sich die Buchtitel nicht nur an ein wissenschaftliches
Publikum. „Nicht zuletzt geht es auch darum, die Studierenden auf die
Bedeutung und den Wert sorgfältig lektorierter Bücher hinzuweisen, die
einen sachlich fundierten Wissensstand bieten und dauerhaft sichern“, so
Bruns. Die ausgestellten Bücher sind eine Leihgabe des S. Fischer Verlags,
ergänzt mit Bänden aus Privatbesitz. Die Mehrzahl der Titel ist nur noch
antiquarisch erhältlich.

Wie kommt die bedeutsame Buchreihe zu ihrem Namen?

Da das „Nürnberger Tagebuch“ von Gustave M. Gilbert über Psyche und
Charakter führender Nationalsozialisten 1977 vergriffen war, wollte es
Walter Pehle damals noch einmal herausbringen und wählte für das
Taschenbuch einen schwarzen Einband, ebenso wie bei zahlreichen folgenden
Veröffentlichungen zu diesem Thema. 1988 wurden die schwarzen Bücher von
der Verlagschefin Monika Schoeller (1939 – 2019) zu einer eigenen
offiziellen Reihe befördert und fanden weltweit große Beachtung. „Die
Schwarze Reihe ist eine Errungenschaft sondergleichen. Sie stellt die
besten wissenschaftlichen Beiträge einem allgemeinen, interessierten
Publikum zur Verfügung und erreicht dadurch eine begrüßenswerte
Verbreitung des Wissens über die Zeit des nationalsozialistischen
Verbrecherregimes“, so Prof. Yehuda Bauer, Yad Vashem, Jerusalem.

Prof. Esther Troost, Dekanin der Medizinischen Fakultät der TU Dresden,
begrüßt die Ausstellung der Buchreihe in Dresden: „Die Auseinandersetzung
und der kritische Umgang mit diesem Teil der Medizingeschichte ist für
unsere angehenden Medizinerinnen und Mediziner unabdingbar – auch, damit
er nie in Vergessenheit gerät. Deshalb freuen wir uns, dass diese
bedeutsame Ausstellung unseren Studierenden, aber auch Besucherinnen und
Besuchern bis Anfang 2025 zur Verfügung steht.“ Prof. Michael Albrecht,
Medizinischer Vorstand am Uniklinikum, ergänzt: „Die Medizingeschichte ist
neben aktueller Forschung und moderner Patientenversorgung ein wichtiger
Teil der Hochschulmedizin Dresden. Die Forschung zu historischen, aber
auch ethischen Aspekten der Medizin und der Krankenversorgung sind uns ein
wichtiges Anliegen. Die Schwarze Reihe trägt zur sachlichen Aufarbeitung
der Zeit des Nationalsozialismus bei und ist deshalb bis heute von großer
Bedeutung.“

Zur Eröffnung der Ausstellung am 29. April 2024, 11 Uhr, im MTZ (Haus 91),
Fiedlerstraße 42, wird auch Prof. Siegfried Lokatis anwesend sein,
Buchwissenschaftler an der Universität Leipzig. Er hat die überwiegende
Zahl der Bände als Leihgabe vom S. Fischer Verlag beschafft und, mit
thematisch anderem Schwerpunkt, 2023 in Leipzig präsentiert. Auch ihn
hatte die Reihe bereits in seiner Studienzeit begleitet.