Neuer Wirkstoff-Kandidat für die Behandlung des Typ-2-Diabetes entwickelt
Forscher:innen von Helmholtz Munich, dem Deutschen Zentrum für
Diabetesforschung (DZD) und Novo Nordisk haben eine neue Hormon-
Kombination für die künftige Behandlung des Typ-2-Diabetes entwickelt. Die
Wissenschaftler:innen haben die blutzuckersenkenden Effekte des
Medikaments Tesaglitazar und des Hormons GLP-1 in einem neuen
hochwirksamen Wirkstoff verbunden. Durch die Kombination mit GLP-1 gelangt
das neue Molekül nur in Gewebe, das den Rezeptor für GLP-1 enthält. Das
reudziert die Nebenwirkungen von Tesaglitazar und erhöht die Effekte auf
den Zuckerstoffwechsel. Der neue Wirkstoff wurde bereits erfolgreich im
Tiermodell getestet.Die Ergebnisse sind jetzt in Nature Metabolism
erschienen.
Der Wirkstoff Tesaglitazar verbessert bei Patient:innen mit Typ-2-Diabetes
den Glukose- und Fettstoffwechsel. Er aktiviert zwei Rezeptoren im
Zellkern und verbessert so die Insulinsensitivität. Das zeigten klinischen
Phase 3 Studien. Allerdings hatte Tesaglitazar auch unerwünschte
Nebenwirkungen, wie etwa Anzeichen einer Nierenschädigung. Um den
Wirkstoff dennoch therapeutisch nutzen zu können, haben die Forscher:innen
einen Trick verwendet: Sie haben ihn biochemisch an das Magen-Darm-Hormon
GLP-1 gebunden, das bereits seit einigen Jahren erfolgreich zur Behandlung
des Typ-2 Diabetes eingesetzt wird. So kann das kombinierte Medikament nur
in Zellen und Gewebe eingeschleust werden, die den Rezeptor für GLP-1
haben. „Durch diesen Kniff ist es uns gelungen, die blutzuckersenkenden
Effekte von GLP-1 und Tesaglitazar in einem einzigen hochwirksamen Molekül
zu vereinen und gleichzeitig Tesaglitazar aus Geweben fernzuhalten, in
denen es schädliche Effekte hat“, erläutert der für die Studie
verantwortliche Autor PD Dr. Timo Müller, Direktor des Instituts für
Diabetes und Adipositas und DZD-Wissenschaftler.
Der neue Wirkstoff verbesserte die Glukosetoleranz und so den
Zuckerstoffwechsel
Der neue Wirkstoff wurde bereits erfolgreich im Tiermodell getestet: „In
männlichen adipösen und diabetischen Mäusen verbessert er den
Zuckerstoffwechsel deutlich stärker als die alleinige Behandlung mit den
einzelnen Hormonen GLP-1 oder Tesaglitazar – und dies ohne schädliche
Nebenwirkungen auf die Leber oder Niere“, sagt Prof. Kerstin Stemmer, eine
der Erstautor:innen der Studie. Besonders effektiv steigerte der Wirkstoff
die Glukosetoleranz. Es reichen minimale Dosierungen des neuen Wirkstoffs,
um den Blutzuckerstoffwechsel nachhaltig zu verbessern. „Der Wirkstoff
könnte großes Potential zur akuten Behandlung von erhöhten
Blutzuckerwerten bei Typ-2-Diabetes haben“, sagt Aaron Novikoff, ebenfalls
Erstautor der Studie.
Als nächstes wollen die Forscher:innen nun untersuchen, ob dieser
Wirkstoff auch Potential zur Behandlung des Typ-2-Diabetes bei Menschen
hat, und ob die Wirksamkeit dieser neuen Kombinationstherapie durch
weitere biochemische Modifikation weiter optimiert werden kann.
Hintergrund:
Ein Team um Prof. Dr. Matthias Tschöp (Wissenschaftlicher Geschäftsführer
Helmholtz Munich) und Dr. Timo Müller sowie Richard DiMarchi, Ph.D.
(Indiana University) und Dr. Brian Finan (Novo Nordisk) arbeitet seit
Jahren an neuen Wirkstoff-Kandidaten zur Behandlung von Typ-2-Diabetes und
Adipositas. Die sogenannten Poly-Agonisten ahmen gleichzeitig die Wirkung
verschiedener Hormone nach. In klinischen Studien haben sich einige dieser
Poly-Agonisten inzwischen als äußerst vielversprechend zur verbesserten
Behandlung von Adipositas und Typ-2-Diabetes erwiesen und befinden sich
jetzt bereits in klinischen Phase-2- und 3-Studien. In den USA wurde in
diesem Jahre bereits ein erstes Medikament auf Basis von Dual-Agonisten
zur Behandlung von Typ-2-Diabetes zugelassen. Das Medikament kombiniert
GLP-1 und GIP (Glukoseabhängiges insulinotropes Peptid)-Rezeptor-
Agonisten, die die beiden Darmhormone GLP-1 und GIP nachahmen.