Erster Lockdown brachte bessere Luft
Mehrere Studien haben bereits gezeigt: Die Konzentrationen typischer
Luftschadstoffe wie Stickoxide und Feinstaub sind während der
coronabedingten Lockdowns weltweit gesunken. Wissenschaftler des
Helmholtz-Zentrums Hereon haben jetzt in einer umfassenden Studie für
Mitteleuropa insgesamt berechnet, wie stark dieser Effekt bei den ersten
Lockdowns war und inwiefern die Wetterbedingungen für die bessere Luft
sorgten. Ein Ergebnis: Die Menge an Stickoxiden ist aufgrund des Lockdowns
teilweise um mehr als die Hälfte gesunken. Die Arbeit erschien jetzt im
Fachmagazin Atmospheric Chemistry and Physics.
Corona hat mittelbar für bessere Luft gesorgt. Während des Jahres 2020
haben Forscherinnen und Forscher tatsächlich weltweit einen Rückgang der
Schadstoffkonzentrationen in der Luft gemessen. Wie sehen diese Werte
konkret für Mitteleuropa aus? Und inwiefern war wirklich der Lockdown die
Ursache – und nicht etwa die Wetterbedingungen? Mit diesen Fragen haben
sich Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums Hereon beschäftigt. Das Team
um Dr. Volker Matthias hat sich auf Stickoxide (NOx), Feinstaub und Ozon
konzentriert.
Vergleich mit den vergangenen fünf Jahren
Zunächst haben sich die Forschenden konkrete Daten von 13 Messstationen
aus sieben Ländern, darunter beispielsweise an der Sternschanze in
Hamburg, angesehen. Da der erste Lockdown von März bis Mai (in den
einzelnen europäischen Ländern variieren die exakten Daten teilweise)
ging, haben sie Daten von Januar bis Juni für die Jahre 2015 bis 2020
betrachtet. Für ihre Berechnungen haben sie zusätzlich die jeweiligen
Wetterbedingungen in ihre Modellsimulationen einbezogen. Denn: Je weniger
es regnet, desto schlechter ist die Luft. „In längeren Trockenperioden
können sich Schadstoffe besser in der Luft ansammeln. Viel Niederschlag
wäscht die Luft buchstäblich rein“, so Volker Matthias, Leiter der
Abteilung Chemietransportmodellierung im Hereon-Institut für Umweltchemie
des Küstenraumes und Erst-Autor der Studie.
Es zeigt sich: „Der Februar 2020 war extrem nass, die
Schadstoffkonzentration verhältnismäßig gering. Der darauffolgende März
und besonders der April waren recht trocken, was normalerweise zu einem
Anstieg der Konzentrationen führt. Da aber auch hier weniger Stickoxide zu
sehen sind, muss die Ursache eine andere sein“, erklärt Co-Autor Ronny
Badeke, Doktorand in der Chemietransportmodellierung.
Grundsätzlich kommen für die Emissionen verschiedene Quellen in Frage.
Deshalb haben die Forscher in ihrer Studie verschiedene Sektoren
untersucht: unter anderem Industrie, Straßenverkehr, Luftverkehr,
Hochseeschifffahrt, Energieerzeugung und Gebäudeheizungen. Denn auf einige
Bereiche wie den Straßen- und Luftverkehr hatte der Lockdown
erwiesenermaßen einen großen Einfluss.
Berechnungen mit und ohne Lockdown
Die Simulation hat das Team anschließend einmal mit und einmal ohne
Lockdown-Einflüsse durchgeführt. Auch andere Wetterbedingungen, wie sie in
den Vorjahren herrschten, wurden miteinbezogen. „Im Vergleich sehen wir,
dass wir zum Beispiel in Frankreich und Italien, wo der Lockdown sehr viel
strenger umgesetzt wurde als in Deutschland, Reduktionen der Stickoxid-
Konzentrationen bis zu 55 Prozent haben. In Deutschland macht sich der
Unterschied mit bis zu 20 Prozent bemerkbar. Da wir ein sehr
hochaufgelöstes Modell genommen haben, können wir Unterschiede zwischen
Stadt und Land, aber auch Schiffsrouten und große Straßen gut abbilden.
Im, was den Verkehr angeht, sehr ruhigen und nicht sehr
bevölkerungsreichen Mecklenburg-Vorpommern ist der Effekt nur bei 5 bis 10
Prozent zu sehen“, sagt Volker Matthias. Hier trägt allerdings auch die
Wetterlage im April maßgeblich zu den geringen Schadstoffkonzentrationen
bei. Durch die vorherrschenden nordöstlichen Winde wurde sehr saubere Luft
nach Norddeutschland geführt. Volker Matthias erklärt hierzu: „Dies hat
besonders beim Feinstaub zu sehr geringen Konzentrationen geführt. Der
Lockdown hatte hierauf nur einen geringen Einfluss.“
Die Studie zeigt, wie stark die Stickstoffdioxidkonzentratione
in Städten zurückgingen, würden die Emissionen des Straßenverkehrs
reduziert – und wenn weiter deutlich mehr Menschen von zu Hause aus
arbeiten könnten. Andere Schadstoffe wie Ozon und Feinstaub hängen
allerdings so stark vom Wetter ab, dass langfristige Veränderungen
aufgrund des Klimawandels eine größere Rolle spielen könnten als
Änderungen bei den Emissionen durch den Verkehr.