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Neue Studie zeigt: Auch ältere Menschen profitieren von einer strikteren Blutdrucksenkung

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Ende August wurde im „The New England Journal of Medicine“ eine Studie [1]
publiziert, die aufhorchen lässt. Demnach erleiden ältere Menschen weniger
Herz- und Gefäßerkrankungen, wenn ihr systolischer Blutdruckwert
konsequent unter 130 mm Hg gesenkt wird. Im Vergleich zu Gleichaltrigen,
deren Blutdruckwerte darüber lagen, war in der Gruppe der strikt
eingestellten Patientinnen und Patienten die kardiovaskuläre Sterblichkeit
um ein Viertel geringer und die Schlaganfallrate konnte sogar um ein
Drittel gesenkt werden. Das Brisante an dem Ergebnis: Die europäischen
Leitlinien der EHS/ESC empfehlen, bei über 65-Jährigen die systolischen
Werte nicht unter 130 mm Hg zu senken. Zeit für ein Update?

Eine große chinesische Studie [1] mit mehr als 8.500 Teilnehmenden im
Alter zwischen 60 und 80 Jahren verglich den Effekt einer strikteren
Blutdrucksenkung (systolische Werte zwischen 110-130 mm Hg) mit dem einer
weniger konsequenten (Werte zwischen 130-150 mm Hg) im Hinblick auf
verschiedene kardiovaskuläre Endpunkte, darunter die kardiovaskuläre
Sterblichkeit, das akute Koronarsyndrom, akute dekompensierte
Herzinsuffizienz, Vorhofflimmern und Schlaganfall. Während des Follow-ups
(im Median 3,34 Jahre) erlebten 147 Patientinnen und Patienten in der
intensiv behandelten Gruppe einen der kardiovaskulären Endpunkte, in der
Placebogruppe waren es lediglich 196 (p=0,007). Die HR (Hazard Ratio)
betrug 0,74: Die striktere Blutdruckeinstellung konnte also jedes viertes
Ereignis verhindern.

Betrachtetet man die einzelnen Endpunkte gesondert, war der Effekt bei
einigen deutlich größer als bei anderen. Die Rate akuter Dekompensation
der chronischen Herzinsuffizienz, ein u.U. lebensbedrohlicher Notfall, bei
dem der Körper nicht mehr in der Lage ist, die Herzschwäche auszugleichen,
war in der Gruppe der strikt eingestellten Patientinnen und Patienten auf
ein Drittel reduziert (HR: 0,27) – zwei von drei kardialen
Dekompensationen konnten also verhindert werden. Auch der Effekt der
strikteren Blutdruckeinstellung auf die Schlaganfallrate und Rate des
akuten Koronarsyndroms war beträchtlich. Die HR betrug für beide 0,67, es
konnte also fast jeder dritte Schlaganfall und fast jedes dritte akute
Koronarsyndrom verhindert werden.

„Dieser große Effekt ist insofern erstaunlich, da die Gruppen hinsichtlich
ihrer real erreichten Zielwerte gar nicht so weit auseinanderlagen. Die
mittleren systolischen Blutdruckwerte betrugen 126,7 mm Hg in der intensiv
behandelten Gruppe und 135,9 mm Hg in der Vergleichsgruppe.  Das bedeutet,
dass selbst die weniger strikt behandelten Patientinnen und Patienten
systolische Blutdruckwerte unter 140 mm Hg hatten, das ist die rote Linie,
ab der die europäischen Leitlinien des ESC/ESH [2] erst generell eine
medikamentöse Therapie empfehlen “, kommentiert Prof. Ulrich Wenzel,
Vorstandsvorsitzender der Deutschen Hochdruckliga. „Doch gerade bei
älteren Patienten sind wir großzügiger und tolerieren auch systolische
Werte bis zu 140 mm Hg. Bei den über 65-Jährigen empfehlen die
europäischen Leitlinien [2], die systolischen Werte nicht unter 130 mm Hg
zu senken.“ Als Gründe führt der Experte an, dass es bei einer zu
schnellen und zu tiefen Senkung zu Unwohlsein und Schwindel und in Folge
zu Stürzen kommen kann und die Datenlage bislang so aussah, dass die
Risiken den Nutzen zu überwiegen schienen. Auch in der vorliegenden Studie
traten in der intensiv behandelten Gruppe mehr Fälle von Hypotonie auf
(3,4% vs. 2,6%, p=0,03). Kritisch muss außerdem angemerkt werden, dass es
sich in dieser Studienpopulation nicht wirklich um hochbetagte Menschen
handelte. Zwar konnten Patientinnen und Patienten zwischen 60 und 80
Jahren eingeschlossen werden, das Durchschnittsalter betrug in dieser
Studie aber letztlich „nur“ 66,2 Jahre.

„Mit den vorliegenden Daten müssen wir nun wahrscheinlich umdenken und
zumindest die Altersgrenze von 65 Jahren für eine intensivere Therapie
hinterfragen, denn der kardiovaskuläre Nutzen der strikteren
Blutdruckeinstellung war doch erheblich“, so das Fazit von Professor
Wenzel. Die amerikanischen Leitlinien [3] empfehlen ohnehin seit längerem
auch bei älteren Patientinnen und Patienten eine konsequente
Blutdrucksenkung auf Werte unter 130 mm Hg.

Referenz
[1] Zhang W, Zhang S, Deng Y et al. Trial of Intensive Blood-Pressure
Control in Older Patients with Hypertension. NEJM, August 30, 2021. DOI:
10.1056/NEJMoa2111437
[2] Williams B, Mancia G, Spiering W et al.; ESC Scientific Document
Group. 2018 ESC/ESH Guidelines for the management of arterial
hypertension. Eur Heart J. 2018 Sep 1;39(33):3021-3104
[3] Whelton PK, Carey RM, Aronow WS et al.
ACC/AHA/AAPA/ABC/ACPM/AGS/APhA/ASH/ASPC/NMA/PCNA Guideline for the
Prevention, Detection, Evaluation, and Management of High Blood Pressure
in Adults: A Report of the American College of Cardiology/American Heart
Association Task Force on Clinical Practice Guidelines. J Am Coll Cardiol
2018; 71: e127-e248.