Wie steht es um das Wahlrecht von wohnungslosen Menschen?


Es ist das zentrale Recht der Staatsbürgerinnen und Staatsbürger in einer
Demokratie: Das allgemeine Wahlrecht ist menschenrechtlich verankert und
gewährleistet ihnen, gleichberechtigt an Wahlen und damit an der
Gestaltung des Gemeinwesens sowie der demokratischen Legitimation
politischer Entscheidungen beteiligt zu sein. Doch nicht alle
Wahlberechtigten in Deutschland können ihr Grund- und Menschenrecht auch
immer problemlos ausüben. Wie sieht es etwa mit Menschen aus, die
wohnungslos sind? Mit dieser Frage hat sich Prof. Dr. Michael Krennerich
von der Friedrich-Alexander-Universitä
Studie „Wahlrecht von wohnungslosen Menschen“ umfassend
auseinandergesetzt.
In seiner Analyse nimmt der Politikwissenschaftler vom Lehrstuhl für
Menschenrechte und Menschenrechtspolitik an der FAU und Vorsitzende des
Nürnberger Menschenrechtszentrums (NMRZ) in den Blick, unter welchen
Bedingungen auch wohnungslose Menschen in Deutschland ihr Wahlrecht
ausüben können. Die gemeinsam vom Deutschen Institut für Menschenrechte
und NMRZ herausgegebene Studie möchte damit Politik, Gesellschaft und
Wissenschaft dazu anregen, sich mit diesem bisher kaum untersuchten Thema
stärker zu beschäftigen. Konkret benannt werden drei Problembereiche: Sie
betreffen das Wahlrecht, die Registrierung zur Wahl sowie die tatsächliche
Wahlrechtsnutzung.
Lokal verwurzelt, aber trotzdem ausgeschlossen
Als zentralen Kritikpunkt identifiziert die Analyse den
Wahlrechtsausschluss von wohnungslosen Menschen ohne feste Meldeadressen
im Kommunalwahlrecht einiger Bundesländer (Baden-Württemberg, Hessen,
Rheinland-Pfalz, Sachsen und Saarland). „Viele Wohnungslose, auch jene,
die auf der Straße leben, halten sich für lange Zeit in ihren Gemeinden
auf, haben dort ihre Netzwerke und ihren Lebensschwerpunkt, sind lokal
verwurzelt und fester Bestandteil des kommunalen Lebens. Allein deshalb
sollten sie das Recht haben, auch bei Kommunalwahlen zu wählen“,
kritisiert Prof. Dr. Michael Krennerich.
Eintragung in das Wählerverzeichnis erleichtern
Hinzu kommen die Hürden, die wohnungslose Menschen überwinden müssen, wenn
sie ihr aktives und passives Wahlrecht in Anspruch nehmen wollen. Alle
wohnungslosen Wahlberechtigten, die keine Meldeadresse haben und damit
nicht automatisch in das Wählerinnen- und Wählerverzeichnis aufgenommen
werden, müssen sich selbst aktiv um eine Registrierung zur Wahl bemühen.
Prof. Dr. Michael Krennerich betont: „Im Unterschied zu anderen
Wahlberechtigten müssen sie einen großen Aufwand betreiben, um ihr
Wahlrecht zu nutzen.“ Aus diesem Grund fordert die Analyse, wohnungslosen
Menschen ohne Meldeadresse die Eintragung in das Wählerinnen- und
Wählerverzeichnis zu erleichtern. Außerdem empfiehlt sie die gezielte
Erstellung und Verteilung von Wahlinformationen an Wohnungslose, um deren
Wahlrechtsnutzung zu fördern.
Menschenrecht auf Wohnen umfassend umsetzen
Gleichzeitig mahnt die Studie, dass ernsthafte Bemühungen, die
Wahlrechtsnutzung von Wohnungslosen zu fördern, aber vor allem die
politisch oft nur verwaltete soziale Notlage der Wohnungslosigkeit
überwinden müssen. „Sie ist einer aktiven politischen Beteiligung
abträglich. Das heißt nicht, dass Wohnungslose allesamt unpolitisch wären.
Doch ist es unter den Bedingungen der Wohnungslosigkeit besonders
schwierig und herausfordernd, sich politisch zu betätigen. Hier ist die
Politik gefordert, sich des Problems anzunehmen“, gibt der Professor am
Lehrstuhl für Menschenrechte und Menschenrechtspolitik zu bedenken. „Bei
allen Kontroversen über die zu ergreifenden Maßnahmen geht es letztlich
darum, das Menschenrecht auf Wohnen in Deutschland möglichst umfassend
umzusetzen. Als Maßstab dient hier der offene, diskriminierungsfreie und
bezahlbare Zugang zu angemessenem Wohnraum, dessen Verfügbarkeit und
Nutzung für alle zu gewährleisten und zu schützen sind.“