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Deutschland will sich eine globale Führungsrolle bei
Wasserstofftechnologien sichern. Dabei setzt es stärker als andere Länder
auf „grünen“ Wasserstoff, der mit Strom aus erneuerbaren Energiequellen
hergestellt wird, und will dafür auch mit Partnern in weit entfernten
Regionen zusammenarbeiten. Diese Strategie kann das Tempo verlangsamen,
ist aber laut einem Beitrag in der Fachzeitschrift „Energie Strategy
Reviews“ langfristig der einzige Weg, um die Klimaziele zu erreichen.
Gleichzeitig bedeutet es, dass der Erfolg der deutschen
Wasserstoffstrategie von dem Aufbau von Erzeugungskapazitäten in
internationalen Partnerländern abhängt.

„Der grüne Wasserstoff muss importiert werden, weil das heimische
Potenzial für erneuerbare Energien nicht ausreicht. Seit 2020 die
Nationale Wasserstoffstrategie eingeleitet wurde, ist deshalb das Thema
Wasserstoff in viele bestehende Partnerschaften integriert worden und es
sind neue Partnerschaften mit einem starken Fokus auf
Wasserstoffkooperationen hinzugekommen. Mit ihrer internationalen
Reichweite – es gibt Beziehungen zu mehr als 50 Nicht-EU-Ländern – ist die
deutsche Strategie einzigartig “, sagt Erstautor Rainer Quitzow
(Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit - Helmholtz-Zentrum Potsdam). Im
Vordergrund stehe das Ziel, einen globalen Wasserstoffmarkt zu gestalten,
anstatt lediglich eine heimische Wasserstoffwirtschaft mit regionalen
Lieferbeziehungen aufzubauen.

Andere Länder mit geringem Potenzial für erneuerbare Energien verfolgen
eine andere Strategie: Japan und Südkorea zum Beispiel konzentrieren sich
auf bilaterale Beziehungen im asiatisch-pazifischen Raum und im Nahen
Osten und sind offen für alle Herstellungsarten von Wasserstoff. Damit
können sie, so die Forschenden, womöglich schneller eine führende Rolle in
der Anwendung von Wasserstofftechnologien spielen und ihre heimischen
Klimaziele umsetzen. Statt zu einer Reduzierung kommt es dadurch
allerdings nur zu einer Verschiebung der CO2-Emissionen in die Regionen,
wo die Wasserstoffproduktion mit Erdgas oder sogar Kohle stattfindet. Je
nach Anwendungsfeld kann es sogar zu einem Nettoanstieg der
Treibhausgasemissionen kommen.

Jetzt ist die Zeit für die Etablierung nachhaltiger Versorgungsketten

Das internationale Engagement Deutschlands, so heben die Forschenden
hervor, geht weit über die Etablierung bilateraler Lieferbeziehungen
hinaus. So spielt Deutschland eine wichtige Rolle bei der Entwicklung
internationaler Wasserstoffversorgungsketten. „Gerade während der
Entstehungsphase einer neuen grünen Industrie sind politische Maßnahmen
wegweisend. Das Förderinstrument der Bundesregierung, H2 Global, zielt
darauf ab, dass internationale Logistikketten von der Produktion bis zur
Lieferung des Wasserstoffs in einem nordeuropäischen Hafen, wie Rotterdam
oder Hamburg, erprobt werden. Dabei ist ein Auktionsmodell vorgesehen, bei
dem sowohl Produzenten als auch Abnehmer als Bieter teilnehmen“, erläutert
Ko-Autorin Adela Marian (Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit -
Helmholtz-Zentrum Potsdam). Anders als etwa Japan setze die
Bundesregierung also klar auf Wettbewerb.

Auch beim Kapazitäts- und Kompetenzaufbau in Entwicklungs- und
Schwellenländern nimmt Deutschland eine Führungsrolle ein. Dazu gehören
Aktivitäten im Rahmen der energiebezogenen Entwicklungszusammenarbeit,
etwa in Namibia, Indien, Marokko, Brasilien und Südafrika. In Westafrika
unterstützt die Bundesregierung den Kompetenzaufbau durch die Förderung
eines Masterstudiengangs zu grünen Wasserstofftechnologien an mehreren
Hochschulen.

Zusammenarbeit mit anderen Vorreitern braucht mehr Ambition

Ein Defizit der deutschen Wasserstoffstrategie sehen die Forschenden
darin, dass sie Nachhaltigkeitsthemen im Dialog mit anderen führenden
Ländern oder in multilateralen Gremien weniger stark in den Vordergrund
stellt als bei der Zusammenarbeit mit Entwicklungs- und Schwellenländern.
„Die Zusammenarbeit mit anderen Vorreiterländern ist bei der Entwicklung
von Nachhaltigkeitsstandards äußerst wichtig, letztlich auch im eigenen
Interesse, um die deutschen Prioritäten auf den internationalen Märkten zu
stützen“, sagt Ko-Autorin Almudena Nunez (Forschungsinstitut für
Nachhaltigkeit - Helmholtz-Zentrum Potsdam). Die Überarbeitung der
Strategie deute allerdings darauf hin, dass die Regierung dieses Defizit
erkannt hat und sich stärker für eine Förderung internationaler Standards
einsetzt.

Das ist besonders für den Bereich des „blauen Wasserstoffs“ wichtig, der
mit fossilen Brennstoffen in Kombination mit CCS (Abscheidung und
Einlagerung von CO₂-Emissionen) produziert wird. Hier arbeitet Deutschland
eng mit Norwegen zusammen. Das kann laut den Forschenden für eine
Übergangsphase sinnvoll sein – aber nur, wenn ein strenges Management der
Methanemissionen bei der Erdgasgewinnung und dem Transport des
Wasserstoffs sowie der CO2-Emissionen bei der späteren Speicherung
stattfindet. Ambitionierte internationale Standards und ein hohes Maß an
Transparenz seien notwendig. Zudem stelle sich die Frage, ob blauer
Wasserstoff wirklich schnell genug verfügbar sei, um in der relativ kurzen
Übergangsphase den gewünschten Beitrag zu leisten.